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Stolz Otto


Otto Stolz wurde am 3. Juli 1842 zu Hall in Tirol als Sohn des „Hauswundarztes“ (Praktischer Arzt) und nachmaligen Direktors der dortigen Landesirrenanstalt Dr. Josef Stolz und dessen Gattin Aloisia geb. Rapp (Tochter des bekannten Verfassers des Geschichtswerkes "Tirol im Jahre 1809", des Gubernialprokurators Dr. Josef Rapp), geboren.

Der Vater von O. S., der schon als praktischer Arzt und geschickter Operateur
eine weit reichende Tätigkeit entfaltet hatte, wandte sich später hautsächlich
der Psychiatrie zu und erwarb sich durch seine Publikationen auf diesem Gebiet
einen bleibenden Ruf.

Die Mittelschulstudien begann Otto Stolz am Franziskaner Gymnasium
in seiner Vaterstadt Hall. Da jedoch dort damals nur die unteren Klassen bestanden, wandte er sich schon nach Absolvierung der 3. Klasse nach Innsbruck,
wo er im Jahre 1860 mit Auszeichnung maturierte.
Im Herbst desselben Jahres begann er sein Studium an der Universität Innsbruck und hörte an derselben durch 6 Semester Vorlesungen über Mathematik
bei Baumgarten, Physik bei Waltenhofen, Chemie bei Hlasiwetz, Botanik bei Kerner.

Von Anfang dieser Studien vertiefte er sich rasch, dank seiner hervorragenden Begabung, in die Mathematik, die sein Berufsfach werden sollte.
Bereits im 2. Studienjahr 1861/62 löste er die von der philosophischen Fakultät ausgeschriebene Preisaufgabe: "Man gebe einen Abriss der Lehre von den singulären Punkten, welche bei ebenen algebraischen Kurven vorkommen".
Als Gewinner erhielt er den Preis von 210 Gulden zuerkannt.
Im Oktober 1863 verließ Stolz Innsbruck um an der Wiener Universität
seine Fachstudien fortzusetzen. Hier beschäftigte er sich außer mit der Mathematik auch eingehend mit Astronomie. Er hörte Vorlesungen von Petzval und Littrow
und promovierte 1864.
Ab 1867 war er Assistent an der Universitätssternwerte Wien
und nach der Habilitation im gleichen Jahr mit einer Arbeit über die Achsen
der Kurven 2. Ordnung auch Privatdozent an der Universität Wien.
Nach Erhalt von Staatsreisestipendien ging er 1869 nach Berlin und besuchte dort
3 Semester lang Seminare von K. Weierstrass, E. Kummer und L. Kronecker.
Das Sommersemester 1871 brachte er in Göttingen zu, wo er A. Clebsch
und F. Klein hörte.
Im WS desselben Jahres kehrte er nach Wien zurück um seine Lehrtätigkeit
wieder aufzunehmen. 1872 wurde er zum a.o. Univ. Professor an die neu errichtete zweite mathematische Lehrkanzel in Innsbruck berufen, wo er dann, und zwar seit 1876 als Ordinarius, bis zu seinem Tode 1905 wirkte.
1876 heiratete er Paula Meyer aus Innsbruck.


MATHEMATISCHE LEISTUNGEN:
Otto Stolz gehört zu den bedeutendsten Mathematikern Österreichs.
Er löste bereits in seinem 2. Studienjahr 1861/62 die von der philosophischen Fakultät der Universität Innsbruck ausgeschriebene Preisaufgabe:
"Man gebe einen Abriss der Lehre von den singulären Punkten, welche bei ebenen algebraischen Kurven vorkommen".
Als Gewinner erhielt er damals den Preis von 210 Gulden zuerkannt.
1867 habilitierte er sich mit dem Thema „"Über die Achsen der Linien zweiter Ordnung in allgemein trimetrischen Punktkoordinaten".
Auch mit seiner zweiten Publikation "Über die Kriterien zur Unterscheidung
der Maxima und Minima von Funktionen mehrerer Veränderlichen" bewies er
sein besonderes mathematisches Talent.
Während seiner Studien ab 1869 in Berlin bei K. Weierstrass, E. Kummer
und L. Kronecker publizierte er im 16. Bd. der Schlömilchschen Zeitschrift eine Arbeit mit dem Titel "Über eine analytische Entwicklung der Grundformen der sphärischen Trigonometrie in voller Allgemeinheit".
1871 schrieb er eine im 4. Band der Mathematischen Annalen publizierte Abhandlung "Über die geometrische Bedeutung der komplexen Elemente in der analytischen Geometrie".
Insgesamt lieferte er in mehr als 60 Abhandlungen zu vielen anderen Gebieten
der Mathematik wichtige Beiträge. S. war Autor einiger weit verbreiteter Lehrbücher: "Vorlesungen über allgemeine Arithmetik" (2 Teile, 1885); die überarbeitete Fassung gab er gemeinsam mit J.A. Gmeiner (1862 – 1927) heraus als: "Theoretische Arithmetik" (1904) und "Einleitung in die Funktionentheorie" (1905); "Grundzüge
der Differential- und Integralrechnung" (3 Teile, 1893/96/99).
Während sich S. in seinen früheren Arbeiten mit der analytischen und algebraischen Geometrie einschließlich der sphärischen Geometrie beschäftigte, widmete er sich später zunehmend der Arithmetik, Infinitesimalrechnung und Funktionentheorie. Nennenswert sind seine Beiträge zu Konvergenzproblemen in der Theorie der Reihen einschließlich der Doppelreihen, wobei er erstmals eine dem Cauchyschen Konvergenzkriterium entsprechende Konvergenzbedingung für Doppelreihen formulierte und den Abelschen Grenzwertsatz für Potenzreihen hinsichtlich
der Annäherung innerhalb eines Rechteckgebietes verallgemeinerte.
In der Differentialrechnung leitet er die Bedingung für die Gültigkeit
der l’Hospitalschen Regel (lim f(x)/ j(x) = lim f’(x)/j’(x)) für den Fall her,
dass sowohl Zähler als auch Nenner nach Unendlich streben.
In der Theorie der Kettenbrüche geht die Regel zur Bestimmung von Konvergenz oder Divergenz eines beliebigen periodischen Kettenbruchs und zur Grenzwertbestimmung im Falle der Konvergenz sowie der Stolzsche Irrationalitätssatz auf ihn zurück. S. ist ebenfalls als Verfasser einiger historischer mathematischer Arbeiten bekannt, wovon die bedeutendste wohl die Abhandlung (1881) über die Bedeutung B. Bolzanos für die Infinitesimalrechnung ist.


LITERATUR:
1.) Lexikon bedeutender Mathematiker, Hrsg. Siegfried Gottwald;
Bibliographisches Institut Leipzig, 1990; ISBN 3 – 323 – 00319 – 5
2.) Otto Stolz; J. A. Gmeiner; Jahresbericht der Deutschen Mathematiker-Vereinigung;B. G. Teubner, Leipzig, 1906; 309 - 322