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Schmetterer Leopold

Leopold Schmetterer wurde am 8. November 1919 in Wien geboren. Sein Vater hatte eine bescheidene Stellung in einer kleinen Versicherungsgesellschaft und seine Mutter kam aus einer Arbeiterfamilie. Ein Onkel (Bruder seines Vaters) war in der damaligen Zeit ein angesehener Kirchenmusiker. In der Bibliothek dieses Onkels entdeckte Schmetterer im Alter von 14 Jahren ein Buch aus der Sammlung Göschen mit dem Titel Niedere Analysis von Sporer. Unter anderem enthielt dieser Band eine einfache Theorie über Komplexe Zahlen die den Knaben besonders ansprachen und seine eigentliche Liebe zur Mathematik entflammte.

Als zweites Schulfach liebte er Latein und wollte auch nach der Matura Latein
an der Universität Wien studieren. Schmetterer maturierte 1937 in einem Wiener Gymnasium und studierte anschließend Mathematik, Physik und Meteorologie
(das gleichzeitige Studium von Mathematik und Latein war in dieser Zeit
noch nicht möglich) an der Universität Wien und beendete 1941 seine Studien
mit dem Grade eines Doktor rer .nat. Das Dissertationsthema, gestellt von Nikolaus Hofreiter lautete: "Approximation komplexer Zahlen durch Zahlen aus K(i.√11)".


Von 1940 bis 1941 war Schmetterer wissenschaftliche Hilfskraft
am Mathematischen Institut der Universität Wien. Zu dieser Zeit lehrten
folgende Professoren: Karl Mayrhofer, Nikolaus Hofreiter und Wolfgang Gröbner (zeitweise, da dienstverpflichtet in Braunschweig), Anton Huber, Edmund Hlawka (als Assistent). Kurt Gödel war am Institut anwesend, durfte aber keine Vorlesungen halten. Ab 1943 arbeitete Schmetterer ("dienstverpflichtet") als angewandter Mathematiker in den Henschel-Flugzeugwerken ("Ferngesteuerte Flakraketen") in Berlin, die noch 1945 nach Nordhausen verlegt wurden.
Nach Kriegsende musste Schmetterer noch einige Wochen in einem Internierungslager der Amerikaner verbringen. Mit Beginn des WS 1945
wurde er Assistent am Mathematischen Institut der Universität Wien.


Im Jahre 1947 heiratete er die damalige Mathematikstudentin Elisabeth Schaffer (dieser Ehe entsprossen vier Kinder, eine Tochter und drei Söhne).
Im Jahre 1949 habilitierte sich Schmetterer unter den beiden damaligen Vorständen Edmund Hlawka und Johann Radon. Das Thema der Habilitationsschrift lautete: "Zum Konvergenzverhalten gewisser trigonometrischer Reihen".
Diese Habilitationsschrift wurde 1950 auch an der damaligen Technischen Hochschule Wien anerkannt, so dass er neben der Tätigkeit an der Universität Wien von 1950 -1955 auch an der Technischen Hochschule Wien die Position eines Diätendozenten innehatte.
Im Jahre 1955 wurde er zum außerordentlichen Titularprofessor an der Universität Wien ernannt. In den Jahren 1954 bis 1956 war Schmetterer auch als Lektor
im Österreichischen Team für Qualitätskontrolle in mehreren Industriebetrieben tätig. Im Herbst 1956 erhielt er eine Berufung zum ordentlichen Professor
an die Universität Hamburg, wo er einer der Direktoren des Mathematischen Instituts, und zwar der Direktor des Instituts für mathematische Statistik wurde.
Als Kollegen im Institut traf er an: Emil Artin (siehe: österreichische Mathematiker
im HdMa), Lothar Collatz, Helmut Hasse, Emanuel Sperner und Ernst Witt.

Im Jahre 1961 kehrte Schmetterer als ordentlicher Professor für Mathematik
mit besonderer Berücksichtigung der Wahrscheinlichkeitstheorie
und Mathematischen Statistik an die Universität Wien zurück.
10 Jahre später wurde er zum ordentlichen Professor für Statistik
und Honorarprofessor für Mathematik an derselben Universität ernannt.
Diese Stelle hatte er bis zu seinernEmeritierung im Jahr 1989 inne.


Ab 1972 lehrte Schmetterer auch einige Jahre an der Pädagogischen Akademie
des Bundes in Wien (im Bereich Fachmathematik) Wahrscheinlichkeitslehre
und Statistik. Im Jahre 1961 wurde Schmetterer vom Institute for Mathematical Statistics, USA, zum Fellow und 1967 zum Vizepräsidenten des Internationalen Statistischen Institutes in Den Haag gewählt.
Diese Position hatte er bis 1971 inne. Im Jahre 1974 wurde er zum Vertreter Österreichs im Council des Internationalen Institutes für angewandte Systemanalyse in Laxenburg ernannt und legte 1983 diese Position zurück.
Im Jahre 1970 wurde er zum korrespondierenden Mitglied und 1971 zum wirklichen Mitglied der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (Mathematisch - Naturwissenschaftliche Klasse) gewählt. Im Jahre 1970 wurde ihm auch die Mitgliedschaft der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina zuerkannt
und 1981 wurde er zum Vorsitzenden der Sektion Angewandte Mathematik
dieser Akademie gewählt. Im Jahre 1972 verlieh ihm die Universität
von Clermont-Ferrand (Frankreich) das Ehrendoktorat
(weitere Auszeichnungen siehe MATHEMATISCHE LEISTUNGEN).

1977 wurde Schmetterer zum Mitglied der Akademie der Wissenschaften zu Berlin, 1983 zum Mitglied der sächsischen Akademie der Wissenschaften und 1984
zum Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften gewählt.
Im Jahre 1975 wurde er zum Generalsekretär der Österreichischen Akademie
der Wissenschaften gewählt und war in dieser Position bis zum Herbst 1983 tätig. Während seiner Tätigkeit als Professor an den Universitäten Hamburg und Wien hatte er auch die nachfolgenden Positionen als "invited visiting professor" inne:
1958 /1959 (13 Monate) : University of California, Berkeley, USA
1960 ( 2 Monate) : University of California, Berkeley, USA
1962 / 1963 ( 14 Monate) : The Catholic University of America, Washington, USA
1966 / 1967 ( 6 Monate) : Technion, Haifa, Israel
1967 / 1968 ( 6 Monate) : Universite’ de Clermont-Ferrand. Frankreich
1969 ( 6 Monate) : Universites de Clermont-Ferrand, de Grenoble, de Lyon,
de Paris, de Rennes, Frankreich
1970 ( 2 Monate) : University of California, Berkeley, USA
1973 ( 6 Monate) : Bowling Green State University, Ohio, USA
1975 ( 6 Monate) : Uiversite’ de Clermont-Ferrand und andere französische Universitäten.


Leopold Schmetterer verstarb am 24. August 2004
durch einen tragischen Autounfall im 85. Lebensjahr im Burgenland (Gols).
em. Univ. Prof Dr. Dr. h.c. Leopold Schmetterer war seit 25. März 2002 Mitglied im "Haus der Mathematik.


MATHEMATISCHE LEISTUNGEN: *)
LEOPOLD SCHMETTERER konnte 1941 in seiner Dissertation mit dem Thema: "Approximation komplexer Zahlen aus K(i√11" eine von Oppenheim 1937
errechnete Schranke (≈ 1,173) auf ≈ 0,990 herabdrücken.
Anschließend arbeitete er hauptsächlich auf dem Gebiet der Geometrie der Zahlen ("Diophantische Approximationen") und publizierte in dieser Zeit eine große Anzahl von zahlentheoretischen Arbeiten.
Nach Kriegsende galt sein Interesse der Theorie von Fourierreihen.
Seine Habilitationsschrift 1949 bei Johann Radon und Edmund Hlawka lautete:
"Zum Konvergenzverhalten gewisser trigonometrischer Reihen".
Spätere Arbeiten über Trigonometrische Reihen fanden in Fachkreisen
größere Aufmerksamkeit. Schmetterer gehört zu den wenigen Autoren seiner Zeit, die im Literaturverzeichnis des Standardwerkes dieser mathematischen Disziplin
von A. Zygmund mit 2 Arbeiten aufscheinen
Angeregt durch einen Mathematikprofessor der Technischen Hochschule Wien wandte sich Schmetterer bald dem Gebiet der Wahrscheinlichkeitsrechnung
und Statistik zu.
Im Jahre 1956 schrieb er ein Standardwerk der Stochastik mit dem Titel:
Einführung in die Mathematische Statistik. Dieses Werk erlebte bereits 1966
die 2. Auflage und wurde ins Englische und Russische übersetzt.
Ab 1954 arbeitet er gemeinsam mit Johann Pfanzagl an Problemen
der Qualitätskontrolle in Industriebetrieben.
Auf dem Gebiet der Wahrscheinlichkeitstheorie fanden besonders seine Untersuchungen zur Stochastischen Approximation einen so großen Widerhall,
dass er im Jahre 1960 eingeladen wurde im Rahmen des Berkeley-Symposiums
über den Stand der einschlägigen Forschung umfassend zu berichten.
Ebenso Pionierarbeit leistete Schmetterer auf dem Gebiet der Erwartungstreuen Schätzungen (Eine Schätzung heißt dann erwartungstreu, wenn der erwartete Schätzwert mit dem tatsächlichen Wert übereinstimmt).
Nach der Rückkehr von Schmetterer von Hamburg nach Wien gelang es ihm
auch die Wahrscheinlichkeitstheorie auf endlichen kommutativen Gruppen
auf endliche nichtkommutative Gruppen zu übertragen.
Schmetterer ist auch der Begründer der "Zeitschrift für Wahrscheinlichkeitstheorie und verwandte Gebiete". Im Jahre 1962 erschien das erste Heft im Springer-Verlag und wurde 1986 (71. Band) in "Probability Theory and Related Fields" umbenannt. Zum 60. Geburtstag von Schmetterer und zum Erscheinen des 50. Bandes
der Zeitschrift widmete der Springerverlag 1979 nachfolgenden Bericht:

Forward to the 50th Volume
The "Zeitschrift für Wahrscheinlichkeitstheorie und verwandte Gebiete"
is now bringing out its fiftieht volume. When Leopold Schmetterer founded
the „Zeitschrift“ in 1962 its future field was already developning into a new mathematical discipline in its own right, and another journal exclusively devoted
to probability theory and its applications already existed; yet many mathematicans were still unwilling to accept probability theory on the same footing as other established mathematical domains.
The rapid expansion of probability theory and the growth of the "Zeitschrift"
have since amply born out the foresight in Leopold Schmetterer’s original decision
to establish our journal. If today its subjekt has become an accepted branch
of mathematics vibrant with problems, ideas and results we would like to think
that the "Zeitschrift" has played a substantial part in this evolution.
Although other journals in the same field have made their appearance,
the flow of manuscripts submitted to the "ZfW" continually increased and now
five volumes are published each year.
While the orientation of our probability journal has continued to follow the original direction which Leopold Schmetterer gave it, the interpretation of the "verwandte Gebiete" ("related fields") in the title has been transformed under the impact of changing scientific trends and the unevitably varied tastes of the editors.
Except for the occasinal survey article, the "Zeitschrift" aims to publish original, high-level, research papers in probability theory as well as nected to probability theory. Among the "related fields" mathematical statistics is amply covered by
the "Zeitschrift": basic contributions to mathematical statistics find their rightful place among the pages of our journal, whereas papers primarily expounding technical details will not be found here. We are also no longer accepting articles concerning operations research unless they have a very strong probabilistic component.


Einige Dissertanten von Leopold Schmetterer :
Hamburg u.a.: Werner Böge (Univ. Heidelberg), Herbert Heyer (Univ. Mainz)
Wien u.a.: Karl Sigmund (Univ. Wien), Wolfgang Wertz (TU-Wien), Georg Pflug (Univ. Wien), Wilfried Hazod (Univ. Dortmund), Wilfried Grossmann (Univ. Wien),
Erich Neuwirth (Univ. Wien), Gerhard Lindbichler (PÄdAK-Wien), Peter Schmitt
(Univ. Wien)
weiters: 2 Dissertanten in Israel, einen Dissertanten in Frankreich und in den USA


Leopold Schmetterer erhielt für seine Leistungen folgende Auszeichnungen:
1952: Förderungspreis der Stadt Wien
1972: Ehrendoktorat der Universität Clermont – Ferrand (Frankreich)
1975: Österreichisches Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst 1. Klasse
1976: Würdigungspreis der Stadt Wien
1979: Goldenes Ehrenzeichen für die Verdienste um das Land Wien
1980: Silbernes Ehrenzeichen für die Verdienste um das Land Wien
1981: Ludwig Boltzmann – Preis (österr. Staatspreis für Forschungspolitik)
1984: Schrödinger – Preis der ÖAW
1993: Ehrenmitglied von The Erwin Schrödinger International Institute for Mathematical Physics
1994: Honary editor of the Journal of Probability Theory and Related fields
1995: Verdienstmedaille der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina

Im Jahre 1999 wurde in einer kleinen Zeremonie und im Beisein
von Leopold Schmetterer aus Anlass des 80sten Geburtstages der Seminarraum
des Instituts für Statistik, Operation Research und Computer Science der Universität Wien in Leopold Schmetterer Seminarraum benannt und eine entsprechende Tafel enthüllt.

*) zusammengestellt von GERHARD LINDBICHLER, Wien, Dezember 2002, modifiziert von GEORG PFLUG, Wien, August 2004


LITERATUR:
1) Leopold Schmetterer * 1919 "Gespräche mit Mathematikern",
(Videofilm nach einer Idee von Gerhard Lindbichler und Karl Sigmund;
Lindbichler u. ÖMG; © TGV, Wien, 2000)
2) Leopold Schmetterer; Einführung in die Mathematische Statistik; Springer Verlag, Wien - New York, 19561, 19662
3) Leopold Schmetterer; Zum Konvergenzverhalten gewisser trigonometrischer Reihen;Monatshefte für Mathematik, 2. Heft, Band 52, Wien, 1948Akademische

Vorfahren - Doktorväter
LEOPOLD SCHMETTERER dissertiert 1941 bei NIKOLAUS HOFREITER,
Universität Wien, mit dem Thema: "Approximation komplexer Zahlen durch Zahlen aus K(i.√11)".

NIKOLAUS HOFREITER dissertiert 1927 bei PHILIPP FURTWÄNGLER, Universität Wien, mit dem Thema: "Eine neue Reduktionstheorie für definite quadratische Formen".

PHILIPP FURTWÄNGLER dissertiert 1896 bei C. FELIX KLEIN, Universität Göttingen, mit dem Thema: "Zur Theorie der in Linearfaktoren zerlegbaren ganzzahligen tenären kubischen Formen".

C. FELIX KLEIN dissertiert 1868 bei JULIUS PLÜCKER, Universität Bonn, mit dem Thema: "Über die Transformation der allgemeinen Gleichung des zweiten Grades zwischen Linien- Koordinaten auf eine kanonische Form".

JULIUS PLÜCKER dissertiert 1823 bei CHRISTIAN LUDWIG GERLING, Universität Marburg, mit dem Thema: "Generalem analyeseos applicationem ad ea quae geometriae altioris et mechanicae basis et fundamenta sunt e serie Tayloria deducit"

CHRISTIAN LUDWIG GERLING dissertiert 1812 bei CARL FRIEDRICH GAUSS, Universität Göttingen, mit dem Thema: "Methodi proiectionis orthographicae usum ad calculos parallacticos facilitandos explicavit simulque eclipsin solarem die".

CARL FRIEDRICH GAUSS dissertiert 1799 bei JOHANN FRIEDRICH PFAFF, Universität Helmstedt, mit dem Thema: "Diskussion des Fundamentalsatzes der Algebra".

JOHANN FRIEDRICH PFAFF dissertiert 1786 bei ABRAHAM GOTTHELF KAESTNER, Universität Göttingen, mit dem Thema: "Commentatio de ortibus et occasibus siderum apud auctores classicos commemoratis".

ABRAHAM GOTTHELF KAESTNER dissertiert 1739 bei CHRISTIAN AUGUST HAUSEN, Universität Leipzig, mit dem Thema: "Theoria radicum in aequationibus".

CHRISTIAN AUGUST HAUSEN dissertiert 1713 bei JOHANN CHRISTOPH WICHMANNSHAUSEN, Universität Halle-Wittenberg, mit dem Thema:
"De corpore scissuris figurisque non cruetando ductu".

JOHANN CHRISTOPH WICHMANNSHAUSEN dissertiert 1685 bei OTTO MENCKEN, Universität Leipzig, mit dem Thema: "Disputationem Moralem De Divortiis Secundum Jus Naturae".

OTTO MENCKEN dissertiert 1668 bei N. N. (Dissertationsvater unbekannt), Universität Leipzig, mit dem Thema: "Thomae Hobbesii Epicureismum historice delineatum sistit".